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Die Homepage wurde von der Interessengemeinschaft "Chronik Raschau" erstellt und ist keine offizielle Seite der Gemeindeverwaltung.

 

Armenverein

Vom Armenhaus in Raschau 

Einst gab es in Raschau in der Viehzit ein Armenhaus. Doch das ist schon lange her.

Errichtet wurde es nach dem Beginn der großen sächsischen Staatsreform von 1831. In jener fernen Zeit war im Gebirge die Not groß. Viele Menschen wussten nicht, wie sie den nächsten Tag überleben sollten. Es fehlte an vielem, vor allem an Nahrung. Wie war es dazu gekommen?

Der Bergbau hatte seinen Höhepunkt überschritten und war rückläufig. In Raschau arbeitete nur eine kleine Fabrik, die 'Gifthütte' am Knochen. Viele Leute waren ohne Arbeit und Brot.

Der Gemeinderat versuchte, mit entsprechenden Maßnahmen die Not zu lindern. Eine Almosenkasse wurde eingerichtet. Die Empfänger der Almosen wurden beständig neu festgelegt. Die Unterstützung in Form von Naturalien und Geld reichte bei weitem nicht. Bald kümmerte sich ein Armenverein um die Ärmsten. Das geschah u. a. durch Spenden durch die Besitzenden.

Überliefert sind einige Protokolle der Gemeinderahtssitzungen (originalschreibweise) aus dieser Zeit:

Raschau, den 19. November. 1841

In hiesiger Gerichtsstube erschienen heute die Mitglieder des Gemeinderahts und außer diesen der Herr Förster Schulze, der Schullehrer Geißler und Kohl, sodann Ortsarzt Götze, Herr Kaufmann Weigel und der Badebesitzer Klausner und man suchte Mitglieder des Armenvereins zu wählen.

Wahl von Mitgliedern des Armenvereins

1. Herrn Pastor Schulze

2. Der Schullehrer Geißler

3. Herrn Ortsarzt Götze

4. Der Einnehmer Meister Neubert

Letzterer hat übernommen von Nr. 1 bis 39,

Herr Ortsarzt Götze von Nr. 40 bis 81,

Herr Pastor Schulze No. 121 -161,

d. Schullehrer Geißler No. 82-120.

Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben. G. A. Schulze, G. Geißler Schulmstr.,  F. Götze Wund- und Geburtsarzt, August Friedrich Neubert Gern. Act. Karl Gottlieb Neubert, Richter Johann Friedrich Glänzel

1846 wurde beschlossen, wegen vieler Stehlereien militärische Wachen anzustellen. Im nächsten Jahre hielten wegen der Dieberei der gewachsenen Feldfrüchte alle Nacht 12 Mann Nachtwache.

1848 wurden der Dienstag und der Freitag als Betteltage für die Armen festgelegt.

1850 kam gar eine Almosenordnung heraus, nach der die Höhe der Unterstützung durch die Besitzenden genau festgelegt war. Doch das reichte nicht.

1855 beschloss man, die Bettelei gänzlich abzuschaffen. Dazu wurde ein Statut wegen des Bettelwesens ausgearbeitet.

Gemeinderathsversammlung den 29. September 1855 im Lokal des Herrn Escher hier:

Anwesend, da es die Armensache mit betrifft:

1, Pastor Schulze 2, Gemeindevorstand Riedel 3, Gemeindeältester Neubert 4," Schneider 5, Ausschussmitglieder Ficker 6 , Freitag, 7, Seifert, 8 Escher von der Classe der Begüterten;

9, Richter, 10, Viehweg, 11, der Unterzeichnete Leonhardt von der Classe der Häusler;

12, Herr Ausschussmitglied Freitag, 13, Herr Hermann von der Classe der Unansässigen.

Gegen säumige Brotgeberin

1 Gegenstand war eine Reklamation der Witwe Clementine Neubert, welche sich weigert das vom Armenverein ihr wöchentlich aufgelegtes Brod zu geben. Diese Reklamation wurde nicht für gerechtfertigt erkannt, da Reklamantin, wie vielseitig versichert worden ist, einen ziemlich flotten Brothandel treibt und übrigens sich auch in nicht schlechten Umständen befindet.

Blinder Junge Karl August Baumann

4. die Unterbringung des blinden Knaben Karl August Baumann in einer Blindenanstalt betreffend, beschloss der Armenverein das Kgl. Gerichtsamt zu ersuchen, die nötige Einleitung zu treffen, dass der genannte Knabe in einer Blindenanstalt untergebracht werde.

Vorgelesen und genehmigt A. H. Schneider,

Protokollant Friedrich August Vieweg Gemeindevorstand Johann Heinrich Freitag , Karl Louis Schneider

In gleicher Sitzung wurde auch über die neue Armenordnung beraten:

1. Gegenstand der Beratung war die neue Armenordnung für den Heimatbezirk Raschau; sie wurde nochmals geprüft§ 4 Der Passus: "sofern nicht, wie dem Armenverein frei steht, die Kassengeschäfte einem andern Gemeindegliede übertragen wird", scheint dem Gemeinderath mit dem Ortsstatut nicht zu harmonieren. Nach dem Beschluss des Armenvereins scheint dem Gemeinderath auch ein Zusatz der Art nötig zu sein, dass der Kassierer nur dann seines Amtes entlassen werden kann, wenn er sich unfähig gezeigt hat oder unordentlich Buch und Kasse führt, um der Willkür vorzubeugen.

Es scheint jedenfalls nötig zu sein, dass der Kassenverwalter, mag er nun freiwillig oder gezwungen abgehen, Rechnung bis zum Tage seines Abgangs ablege.

Doch all diese Maßnahmen konnten die Armut nicht beseitigen. Erst als im Raschauer Grund die ersten Fabriken entstanden, besonders 1859 die Korkfabrik Wm Merkel, erst dann gelang es, die gröbste Not einigermaßen zu beseitigen.

Doch im Armenhaus wohnten auch weiterhin bedauernswerte Menschen. Hier lebte der Totenbettmeister August Richter (*1830 - +1891), der sich erhängte. Hier lebte der Drehorgelspieler August Schreiter (*1836 - +1912), der zu einem 'Raschauer Original' wurde. Auch der Totengräber Karl Baumann (*1851 - +1917) wohnte im Armenhaus. Von ihm erzählt man sich einige Episoden, und auch Theodor Baumann (*1882 - +1968), ebenfalls Totenbettmeister, war uns kein Unbekannter.

Armenvereinsausschußsitzung d. 25. April 1860

Anwesend Herr Vorstand Vieweg, Herren Gemeindeälteste Neubert und Schneider, Herr Lehrer Ullrich und Unterzeichneter

Entschädigung für Wilhelmine Schubert 1. Gegenstand; Die Wilhelmine Schubert beansprucht noch eine Entschädigung für Betreuung des blinden Knaben Baumann. Man beschloss ihr noch 1 Groschen zu bewilligen. Allmosenantrag für Auguste Bach 2. Gegenstand: Die Auguste Bach ist gestorben, man beschloss derselben einen Almosenantrag machen zu lassen und genehmigte noch die ihr bei Lebzeiten für einmal bereits gegebenen 15 Groschen zu erlassen.

J. G. Leonhardt Friedrich August Vieweg Gemeindevorst.

Armenausschußsitzung d. 10 August 1860

Anzeige rückständiger Allmosengeber

1. Zunächst ging man die alte Allmosenliste von 1857 und 1858 und beschloss noch 1 Monat zuzusehen, ehe sie angezeigt werden.

Für Auguste Bach 25 Notgroschen. 2. Die Auguste Bach hat angezeigt, dass sie ihren Bruder Friedrich Albrecht, Sohn von Carl Friedrich Bach jun., für 18 Notgroschen. monatlich nicht mehr erhalten könne. Sie verlangt monatlich 1 Thaler. Man beschloss monatlich 25 Notgroschen zu geben.

Gotthilf Jahns Reklamation 3. Man beschloss den Auszügler Gotthilf Jahn wegen seiner Reklamation an den Armenverein zu überweisen.

Blinder Junge zum Arzt 4. Der in Raschau gebürtige 17jährige Bug, jetzt Grünstädtel, beansprucht Allmosen und sind ihm bis jetzt auf 15 Notgroschen für einmal bewilligt worden, da er an Augen leidet. Man beschloss vorerst den Burschen durch Arzt Frey sein Augenleiden untersuchen zu lassen.

Kinder der Witwe Keßler 5. Die Wittwe Keßler hat ebenfalls für ihre beiden Kinder von 9 und 13 Jahren Allmosen beansprucht. Man beschloss den beiden Kindern zusammen monatlich 8 Notgroschen zu geben.

Almosen für Pfab, Grünhain 6. wurde beschlossen, den Pfab - Grünhain vom 1. Aug. an keine Allmosen mehr zu geben.

Diertlers Mädchen 7. Diertler Mädchen, welche bei ihren Vetter in der Gegend Zwickaus untergebracht ist, hat eine Abwartung erhalten, was genehmigt wird.

Caroline Krähers Unterstützung 8. man beschloss der Caroline Kräher vom 1. Aug. an monatlich Notgroschen 5 Pf. zu geben.

genehmigt J. G. Leonhardt Friedrich August Vieweg Gemeindevorstand August Friedrich Neubert Gemeindeältester

Armenvereinsversammlung, d. 8. April 1862

Entwurf einer Ortsarmenordnung

Den mittels Verordnung des Königl. Gerichtsamtes vom 31. v. M. zugefertigten revidierten Entwurf einer Ortsarmenordnung ging man durch und fand man dagegen zu erinnern. Nach § 6 der bisherigen Local-Armenordnung bestand eine Deputation aus Mittel des Armenvereins, welche zur Erleichterung der Geschäfte als zweckentsprechend empfunden worden ist. Es beantragt daher der Armenverein den Fortbestand einer Deputation, welche nach der neuen Ordnung dem Armenhausvorsteher zuzuteilen sein wird. Dass bei der Wahl des Armenkassenverwalters nach § 5 die Bestimmungen in §§ 33 - 35 der Landgemeindeordnung maßgebend sein sollen, fand man bedenklich. Das Kassenwesen erfordert schon gewisse Fertigkeiten, die nicht Jedermann sich anzueignen Gelegenheit hat. Darin ist auch die Anfertigung der Manuale jedes Einkassierens der Allmosenbeiträge, die Auszahlung an die Participienten und endlich das Anfertigen der Rechnung ziemlich umfangreich und umständlich. Daher auch die Armenkassenverwaltung als ein Ehrenamt im Sinne der Landgemeindeordnung nicht wohl betrachtet werden kann.

Der Gemeinderath beantragt, dass es wegen der Armenkassenverwaltung bei der jetzigen Bestimmung bleiben möge.

Zu Abschnitt 4 § 6 beantragt man, dass der Vorsitzende nur eine einmalige Unterstützung bis zur Höhe von 2 Thalern gewähren könne. Nach Schluss des § 7 wird für Ausbleiben von den Sitzungen u. s. w. eine bestimmte Strafe von 5-10 Notgroschen schon beantragt. Anstatt der im § 18 gesetzten Abgabe von 3 Notgroschen beschließt der Gemeinderath, es bei den bisher üblichen 2 Notgroschen 5 Pf. zu belassen, da bei Käufen auch noch an die Kirchen-, Schul- und Feuergeräthskasse sowie an die Ortsgerichte zu bezahlen ist. Die unter § 13. 71 der jetzigen Armenordnung aufgeführte Abgabe wünscht der Gemeinderath beizubehalten. Ferner wurden noch folgende Zusätze beantragt; aus der jetzigen Local-Ordnung aufzunehmen beantragt 1, § 12 das Aushängen der justifizierten Rechnung auf 14 Tage in der Wohnung des Vorsitzenden. 2. § 17 und 18 das Aushängen des Anlagekatasters und eine bestimmte Reklamationsfrist sowie eine Frist für Entschließung des Armenvereins auf eingewandte Reklamationen.

Gemeinderathsversammlung den 3. Mai 1863

Schramm geht nach Schwarzenberg betteln

3. Der hiesige Almosenempfänger Schramm geht wider Willen des hiesigen Armenvereins nach Schwarzenberg betteln. Deshalb soll dem Gerichtsamte daselbst angezeigt werden, dass dieses im Wiederholungsfalle mit ihm gesetzlich verfahren solle, wobei beantragt wird, dass seitens des Gerichtsamts der Stadtrat zu Schwarzenberg angehalten werde, den Bettler, Gebrüder Wankelmuth, daselbst zu überwachen, dass solche fernerhin die hiesige Gemeinde mit Betteln, wie seither, nicht fast täglich belästigen.

Dies sind einige Beispiele aus der Arbeit des Armenvereins in Raschau.

Infolge größerer baulicher Mängel verkaufte die Gemeinde 1937 das Armenhaus an Privatleute, die es wieder auf Vordermann brachten. Heute ist es ein Wohnhaus in schöner Lage, Zum Sportplatz 8.

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Foto: Siegfried Hübschmann 1976

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Dieser Inhalt beruht auf Grundlage der Unterlagen der von Siegfried Hübschmann erstellten Ortschronik und hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Über Hinweise und Ergänzungen würden wir uns sehr freuen!